Jährlich 5 Prozent effizienter arbeiten - Interview mit Claudio Roth im SMM Schweizer Maschinenmarkt

Modeme, für engagierte Berufsleute attraktive CNC-Arbeitsplätze bietet thyssenkrupp Materials Schweiz in der Produktionshalle prodrill, die im Jahr 2021 bezogen wurde.

"Werkplatz Schweiz. Quo vadis?"

Über die aktuelle Situation für Fertigungsbetriebe und die Aussichten, Chancen und Risiken für den Werkplatz Schweiz sprach der SMM Schweizer Maschinenmarkt mit Claudio Roth, CEO thyssenkrupp Materials Schweiz AG.

SMM Nr. 6 / April 2023 / Interview Konrad Mücke

SMM: Mit welchen besonderen Bedingungen sind Sie aktuell konfrontiert?
Claudio Roth: Für uns zählen zu den be­sonderen Bedingungen das Gewinnen von Fachkräften, die Sicherstellung zuverläs­siger Lieferketten, der Rohstoffmangel, die Nachhaltigkeit und der Klimaschutz, das Kostenmanagement und die interna­tionalen Beschränkungen. Es ist ein gan­zer Strauss von Themen, welcher mich und meine Kollegen und Kolleginnen ak­tuell intensiv beschäftigt. Der Schlüssel zum Erfolg und die wichtigste Komponen­te zur Meisterung dieser Herausforderun­gen sind dabei unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche Tag für Tag den Spirit mitbringen, Lösungen zu finden. In der vielschichtigen Dynamik und Komple­xität verschiedener Themen können wir nur mit Top-Personal an der Spitze blei­ben. Ich bin dankbar und stolz, bei thys­senkrupp Materials Schweiz auf ein Team zählen zu dürfen, welches mir das Vertrauen gibt, alle Herausforderungen gemein­sam meistern zu können.

Innovation als Schlüssel zum Erfolg muss in jedem Unternehmen als strategischer Ansatz gesehen werden.

Claudio Roth
CEO der thyssenkrupp Materials Schweiz AG

Wie meistern Sie die spezielle Kostenstruktur, die für Schweizer Fertigungsbetriebe den unbedingt erfor­derlichen Export erschwert?
C. Roth: Die stetige Effizienzsteigerung muss Teil unserer DNA sein. Wir setzen uns bei thyssenkrupp Materials Schweiz jährlich ein Effizienz-Ziel von 5 Prozent und arbeiten intensiv an diversen Themen: Meh rmasch inenbed ienung, Nachtlaufzei­ten nutzen, Lean-Projekte und verschie­dene digitale Themen wie das «maschi­nelle» Einlesen von Kundenbestellungen dank Smart Order oder EDI-Kundenanbin­dungen und vieles mehr. Dieses ständige Hinterfragen und Optimieren von Prozes­sen ist die Basis, um im knallharten Wett­bewerb weiter wachsen und gedeihen zu können. Ein weiterer wichtiger Faktor ist das laufende Investieren in schnellere und automatisierte Anlagen. So haben wir in den letzten zwei Jahren rund 5 Mio. Schweizer Franken in unsere Maschinen und Infrastruktur investiert.

Wie optimieren Sie Ihre interne Organisation und die Strukturen, damit Sie künftig wettbewerbsfähig blei­ben?
C. Roth: Wir wachsen laufend im Umsatz, aber nicht in der Personalstruktur. Unse­re Prozesse werden zunehmend digitaler und leaner gestaltet. Gerade im Verkauf haben wir im Jahr 2022 mit unserem neu­en Online-Shop World of Materials [WoM) an der Effizienzschraube gedreht und so­wohl für unsere Kunden wie auch für un­sere Verkaufsmitarbeiterinnen und -mit­arbeiter Mehrwert geschaffen. Als Markt­führer für kubische Bauteile bietet WoM unseren Kunden und Interessenten die Möglichkeit, ihre Bauteile in Ausführung gesägt, gefräst und geschliffen zu konfi­gurieren, in Echtzeit zu kalkulieren und zu bestellen. Unser Verkauf profitiert in doppelter Hinsicht. Einerseits reduziert sich die gesamte Anzahl zu bearbeitender An­fragen, andererseits konnten wir dank Harmonisierung des Kalkulations- und Offertwesens und der Einbindung von Smart Order die Prozesse vereinfachen und beschleunigen. Die dadurch frei wer­dende Zeit nutzen unsere Verkäuferinnen und Verkäufer für das verstärkte Key­Accounting und für das aktive Verkaufen. Gute Erfahrungen machen wir zudem mit dem Einsatz von Kompetenz-Teams für die Uhrenindustrie, die Medizintechnik oder den Formen- und Werkzeugbau. Die in diesen Teams involvierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen die spezifi­schen Bedürfnisse des Segments und können so schneller und effizienter auf Kundenwünsche reagieren. In unserer Verwaltung arbeiten wir zunehmend mit digitalen Prozessen wie Auto-Bank, auto­matischen Power-BI-Auswertungen und weiteren digitalen Lösungen. Dieser ste­tige Drang zu besseren Prozessen hält unsere Organisation schlank.

Teamarbeit und ein vertrauensvolles Zusammenwirken unter Mitarbeitern und Führungskräften tragen wesentlich dazu bei, als attraktiver Arbeitgeber zu gelten und auch unter den derzeit schwierigen Be­dingungen qualifiziertes Fachpersonal zu finden.

Wie begegnen Sie dem zunehmenden Mangel an Fach­kräften?
C. Roth: Da gibt es für mich nur einen Weg: Als thyssenkrupp Materials Schweiz noch mehr in das Thema investieren und zu­sätzliche lernende ausbilden. Nebst un­seren bis dato ausgebildeten Berufsbil­dern Kauffrau/Kaufmann und Logistiker haben wir in Zusammenarbeit mit dem AZW Ausbildungszentrum Winterthur be­gonnen, lernende als Produktionsmecha­niker auszubilden. Diese frisch ausgebil­deten Berufsleute möchten wir dann na­türlich nach der Lehre, wenn immer mög­lich, für uns gewinnen. Gerade im Bereich der CNC-Fertigung haben wir mit unserer im Jahr 2021 fertiggestellten neuen Pro- duktionshalle prodrill und mit modernen Maschinen inklusive Programmieren auf dem CAM-System Top-Solid einiges zu bieten. Gepaart mit unserer Leidenschaft für metallische Werkstoffe sind wir über- zeugt, jungen CNC-Berufsleuten einen ausgezeichneten Start in eine erfolgreiche Berufskarriere bieten zu können. Es gilt festzuhalten, dass die Berufe an den CNC­Maschinen anspruchsvoller sind als viele Bürojobs. Die Wertschätzung und die ste­tige Verbesserung dieser wichtigen Be­rufsbilder wollen wir vermehrt pflegen und fördern. Ebenfalls ist es von grosser Wich­tigkeit, unsere Netzwerke zu erweitern, um potenzielle Bewerber anzusprechen. Hierbei kontaktieren wir beispielsweise Hochschulen und kooperieren mit Berufs­schulen, um bei den zukünftigen Berufs­leuten präsent zu sein.

Mit einer vierten Tieflochbohrmaschine TFZ 2L (Samag) erweitert die thyssenkrupp Materials Schweiz AG ihr Angebotsspektrum an sinnvollen, für Auftraggeber lohnenden Vorbearbeitungen.

Welche begleitenden politischen Rahmenbedingungen wünschen Sie sich, um für die Zukunft den Werkplatz Schweiz erhalten zu können?
C. Roth: Die Schweiz muss zwingend einen guten Dialog mit der EU und einen barrie­refreien Zugang zum europäischen Bin­nenmarkt finden. Meines Erachtens wird dieses Thema seitens der Politik etwas vernachlässigt. Natürlich gibt es nach den Einschränkungen durch Covid viel aufzu­arbeiten. Aktuell binden drängende The­men wie die Energieversorgung viele Res­sourcen. Unser Zugang zu den europäi­schen Märkten und der freie und unbüro­kratische Warenverkehr nach Europa sind jedoch sowohl für uns als thyssenkrupp Materials Schweiz wie auch für unsere stark exportorientierten Kunden existen­ziell. Liebe Politiker, seid schlau und ver­handelt weiter, aber lasst die Schweiz nicht in Handschellen legen. Unser Land hat eine lange Tradition in Forschung und ln­novation, die es zu stärken gilt. Dazu soll­ten die Investitionen in Bildung und For­schung kontinuierlich erhöht werden, um sicherzustellen, dass wir als Land wettbewerbsfähig bleiben und unsere Führungsrolle in Technologie und Wissenschaft behalten. In der Ausbildung soll weiter und vermehrt auf den dualen Ausbildungsweg gesetzt werden. Ich sehe keine Nachteile darin, dies intensiver zu tun.

Welche Chancen sehen Sie hinsichtlich Innovationen zu Produkten und Verfahren, um den Werkplatz Schweiz zu stärken und fit für die Zukunft zu machen?
C. Roth: Wir alle kennen den Ausspruch: «Wer hat's erfunden? Die Schweizer!» Die­ser mittlerweile legendäre Slogan und die damit verbundene Innovationskraft sind das Credo der Schweizer Wirtschaft. Die Schweiz ist Heimat vieler Innovationen und wird es auch bleiben. Innovation ist der herausragende Schlüssel zum Erfolg auf dem Markt. Deshalb muss Innovation in jedem Unternehmen als strategischer An­satz gesehen werden. Die aktuellen Prob­leme und Themen der Welt schreien ge­rade nach Innovationen und neuen Ent­wicklungen. Ich glaube, dass die Schweiz unter anderem dank ihres Bildungssys­tems und ihrer multikulturellen Land­schaft sehr gut aufgestellt ist. Ich bin überzeugt, dass sich dem Werkplatz Schweiz auf allen Ebenen Chancen bieten, um auf gesundem Nährboden Innovation und innovatives Unternehmertum zu för­dern und erfolgreich zu sein.

Wie agieren Sie in Bezug auf internationale Kontakte, um Schweizer Qualität als lohnend hervorzuheben?
C. Roth: Qualität zu liefern, scheint so selbstverständlich zu sein. Aber Qualität ist nicht gleich Qualität. Qualität ist nie fertig und kann immer verbessert werden. Mit unserem Motto Quality first wollen wir bei den Besten sein und uns ständig wei­terentwickeln. Unsere Kunden aus der D-A-CH-Region schätzen das an unseren Produkten und Werkstoffdienstleistungen. Kombiniert mit der sprichwörtlichen Schweizer Präzision und Verlässlichkeit ist Qualität noch immer ein Alleinstel­lungsmerkmal. Als Unternehmen des thyssenkrupp-Konzerns vertreten wir zu­dem eine starke globale Marke, welche seit Jahrzehnten für Werte wie Qualität, Innovation und Zuverlässigkeit steht.

Was kann weiter dazu beitragen, die Wettbewebsfä­higkeit Schweizer Unternehmen zu erhalten und zu fördern?
Die Schweiz soll sich im Energiesektor weiter intensiv darum bemühen, unabhängiger von Energieimporten aus dem Aus­land zu werden und sich in den erneuer­baren Energien exzellent aufstellen. Mit einer verbesserten, stabilen und nachhal­tigen Energie-Produktion im Inland kann sich die Schweiz gegenüber anderen Län­dern freier entfalten und sich zukünftig wettbewerbsfähiger positionieren. Dies wird für die Zukunft ein weiterer strategi­scher Vorteil der Schweiz sein.

Herr Roth, vielen Dank für diese Informationen.